Donald Trump gewinnt, doch die Staatsschulden dürften weiter steigen. Das müssen Sie wissen.

Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass die öffentlichen Schulden in vielen Ländern weiter steigen werden. Das gilt auch für die USA. Deutlich komplexer ist es, die möglichen Konsequenzen zunehmender Staatsschulden abzuleiten und die Asset Allokation entsprechend anzupassen. Zehn Fragen und Antworten mit pragmatischer Analyse und konkreten Einschätzungen.

Stefano Zoffoli

Die USA schultern bald 36 Billionen Dollar an Schulden. (Bild: istockphoto.com)

1. Wann droht der Schuldenberg eines Staates zu kippen?

Diese Frage lässt sich aus zwei Blickwinkeln analysieren: Zum einen aus Sicht eines Staates, der mit einem hohen Schuldenberg und entsprechenden Zinskosten konfrontiert ist. Eine akademische Annäherung, ab wann ein Staat in der Schuldenfalle sitzt, versuchten Rogoff/Reinhart (2010) im Zuge der Euro-Staatenkrise, indem sie die obere Grenze bei 90% des BIP bestimmten. Dieser Ansatz greift allerdings zu kurz. Weitere Faktoren wie die Auslandquote oder die Fristen, die in diesem Kontext relevant sind, können im Beitrag Verschuldung auf dem Prüfstand von Martin Weder, Chefökonom der Zürcher Kantonalbank, nachgelesen werden. Einen weiteren Indikator aus Sicht des US-Treasury hat Finanzministerin Janet Yellen Ende Oktober genannt. Als Schmerzgrenze für die realen netto Zinskosten in Prozent nannte sie 2% des BIP.

(Quelle: St. Louis FED)

Zum anderen zählt der Blickwinkel der Finanzmärkte, insbesondere der Investoren in Staats­obligationen. Diese hatten sich in der Vergangenheit verstärkt mit Durations­risiken als mit Kreditrisiken zu beschäftigen. Aber: Je geringer Investoren die Sicherheit der Auszahlung der Coupons bzw. der Rückzahlung der Anleihe bei Verfall einschätzen, desto mehr Risikoprämie werden sie fordern. Dies gilt insbesondere bei langen Laufzeiten, was eine steilere Zinskurve zur Folge hätte. Die erwartete Sicherheit hängt nicht nur von der Verschuldung ab. Andere Faktoren wie das Währungssystem, die Aufteilung zwischen In- und Auslands­finanzierung oder zwischen Retail- und institutionellen Investoren spielen eine wichtige Rolle. Mögliche Auslöser für einen Anstieg der Renditeprämien könnten sein:

  1. Tiefere Bonitätseinschätzungen von Rating-Agenturen (z.B. S&P 2011 von AAA auf AA+, jedoch ohne relevanten Kurseffekt)
  2. Bewusste deutliche Verschlechterung der Staatsfinanzen (ohne exogenen Schock wie bei Covid) (Bsp. britische Premierministerin «Liz» Truss' mini-Budget im 2022)
  3. Deutlicher Anstieg des Defizits aufgrund von Rechnungsfehlern (Griechenland 2010)

2. Welche Rolle spielt das Finanzsystem?

Es macht einen Unterschied, ob die USA Obligationen in der Weltwährungsreserve USD emittieren oder ob es sich um ein Land innerhalb der Europäischen Währungsunion respektive einen Staat mit einer unabhängigen Geldpolitik und freiem Wechselkurs handelt. Letztere wären durch die Verschlechterung ihrer Staatsfinanzen deutlich stärker gefährdet, da ihre Abhängigkeit von exogenen Faktoren grösser ist.

(Quelle: Bloomberg, Zürcher Kantonalbank)

3. Sollte man sich nur auf die besten Bonitäten konzentrieren?

Zwölf Länder besitzen derzeit laut den etablierten Ratingagenturen ein AAA-Rating. Da diese tief verschuldeten Länder gemessen am BIP per Definition eine geringe Anzahl Staats­obligationen auf dem Markt haben und nur drei zu den G20 gehören, ist der Markt begrenzt und bietet ferner (mit partieller Ausnahme von Deutschland) kaum Breite oder Tiefe. Siebzehn Staaten inkl. den drei G7-Staaten USA, Grossbritannien und Frankreich werden mit AA eingestuft.

(Quelle: Bloomberg, Zürcher Kantonalbank)

4. Welche Alternative bieten Firmenkredite und kann die Prämie zu Staatsanleihen negativ werden?

Während auf der einen Seite Staaten mehr Schulden anhäufen, gelingt es einzelnen Unternehmen, dank ihrer starken Marktposition, hohe Gewinne und eine sehr tiefe Schuldenquote zu erzielen. Insofern stellt sich die Frage, ob das Kreditrisiko solcher AAA/AA-Firmen wie Microsoft oder Apple nicht gar tiefer liegt als jenes des US-Staates. Das wäre sicher ein Paradigmenwechsel in Bezug auf den «risikofreien» Zins. Historisch ist dies in nur wenigen Sonderfällen geschehen, so beispielsweise während der Eurokrise mit Firmen mit bedeutenden Anlagen im Ausland. Die Investoren allerdings sehen dies genauso, wie die nur noch marginale Kreditprämie von rund 20 Basispunkten von Microsoft zeigt. Negative Kreditprämien zu Staaten mit hohen Ratings, namentlich AAA-AA, erachten wir allerdings als sehr unwahrscheinlich, da solche Regierungen immer noch über den «Lender of last Resort» – also der Zentralbank – verfügen.

(Quelle: Bloomberg, Zürcher Kantonalbank)

5. Aus der Multi-Asset-Perspektive: Welche Anlagen könnten Staatsanleihen ersetzen?

Die Kombination von Staatsobligationen und Aktien macht ein Portfolio effizient, weil die Korrelation zwischen den beiden Anlageklassen gering ist. Ausnahmen bilden vor allem Phasen mit steigender Inflation. Um Staatsanleihen zu ersetzen, stellt sich also die Frage der Korrelation sowie auch der Handelbarkeit möglicher Substitute. In der Grafik ist auf der X-Achse ersichtlich, dass USD-Firmenanleihen wie erwartet sehr hoch mit US-Staatsanleihen korrelieren. Der deutlich kleinere Umfang des Kreises zeigt aber die wesentlich geringere Handelbarkeit. Letztlich gibt es kein spezifisches Substitut, sondern eine Mischung aus Anlagen mit Staats- und Firmenanleihen mit hohem Rating, Infrastruktur, Immobilien und Insurance-Linked-Securities.

Daten ab 2000. Grösse der Kreise gleich Marktkapitalisierung. (Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg.)

6. Wie hätte sich ein Portfolio ohne US-Staatsschulden in vergangenen Krisen verhalten?

Betrachtet man die letzten drei grossen Krisen (Finanzkrise 2008, Eurokrise 2010, Covid 2020), hätte ein klassisches LPP25-Portfolio ohne US-Staatspapiere in der Finanzkrise besser abgeschnitten, weil auch US-Treasuries zur Liquiditätsbeschaffung verkauft wurden. In der Covid-Krise hätte sich das Portfolio weniger gut entwickelt, weil das Fed rasante Zinssenkungen beschlossen hatte. In der Eurokrise war kein Unterschied festzustellen.

7. Wie reagiert ein Portfolio ohne US-Staatsschulden auf ausgewählte Szenarien?

Zwei kontrastierende und intuitive Szenarien sind zum einen eine Rating-Herabstufung der USA mit heftigerem Kursverlust bzw. Renditeanstieg als im Jahr 2011 bei S&P und unlängst 2023 bei Fitch (Schätzungen von rund 20 Basispunkten Renditeanstieg seit der Ankündigung des «negative Outlooks»). Wir nehmen für den Stresstest einen Renditeanstieg von 200 Basispunkte an. Zum anderen würde demgegenüber ein Szenario einer geopolitischen Eskalation im mittleren Osten stehen. In diesem Fall würden wir eine Flucht in «Safe Havens» wie u.a. US-Treasuries oder CHF und Gold erwarten.

Der Risikostresstest mit modell-basierten Korrelationen angewandt auf ein LPP25-Portfolio zeigt: Im Fall einer Herabstufung aufgrund der vordefinierten niedrigen Quote an US-Staatsanleihen sind es nicht diese, sondern die volatileren und gewichtigen Kategorien wie Aktien, welche die grössten Rückgänge verursachen. Klar, je höher der Anteil ausländischer Staatsanleihen, desto schlechter ist die erwartete Reaktion auf ein US-Downgrade. Im Falle einer geopolitischen Eskalation ist der Vorteil von US-Staatsanleihen hingegen geringer, da die einheimischen Anleihen auch als Absicherung dienen. 

8. Sollten Anleger aus Ländern mit hoher Staatsbonität in ausländische Staatsanleihen investieren?

Angesichts der lokalen Erträge (ohne Währungseinfluss), ist aus Sicht eines Multi-Asset-Investors der Diversifikationseffekt durch Staatsanleihen anderer Länder tatsächlich limitiert. Gleichwohl können folgende zwei Umstände für diesen Ansatz sprechen: Erstens, wenn im ausländischen Staat ein struktureller Wandel wie namentlich ein tieferer Inflationsdruck vorherrscht. Und zweitens – taktisch – wenn die historische Renditedifferenz am oberen Ende liegt. Dies ist aktuell der Fall: 5-jährige USD- vs. CHF-Anleihen sind nahe dem 30-jährigen Höchststand. In der Praxis von CHF- und EUR-Anlegern mit einem gemischten Universum enthalten typische Ausland-Benchmarks eine Mischung aus Staats- und Firmenanleihen (der «Global Agg»). Die Gewichtung von Staaten (inkl. staatsnahe Organisationen) liegt darin bei rund 70%. Das Universum an Firmenanleihen zeichnet sich durch ein breites Spektrum an Sektoren, Bonitäten, Verwendungszweck (z.B. Green Bonds) aus. 

9. Welche Rolle spielt die Währung?

Staaten mit hohen Schulden müssten ceteris paribus eine schwache Währung besitzen. Natürlich wird dieser Nachteil durch höhere Renditen, auch Realrenditen, kompensiert. Aktuell liegt die Zinsdifferenz von USD gegenüber CHF und EUR tatsächlich bei hohen 4% bzw. 1,6%. Gleichwohl wird der Währungseffekt die Volatilität in die Höhe treiben. Angesichts der strukturellen CHF-Stärke ist es bei gemischten Portfolios vorzuziehen, die ausländischen Anleihen abzusichern, ohne dabei das Währungs­exposure im gesamten Portfolio zu berücksichtigen (siehe auch Artikel Währungsrisiko – wieviel Absicherung ist nötig?).

 

10. Welche Strategie verfolgt das Balanced-Team?

Kurzfristig erwarten wir als Folge der US-Wahlen, selbst bei fehlenden Massnahmen zur Eindämmung der Schulden, keine Verkaufspanik. Zu einem gewissen Grad kann die Skepsis der «bond vigilantes» im Anstieg der 10-jährigen Renditen um 60 Basispunkte im Vorfeld der Wahlen gesehen werden. In Frankreich, wo das öffentliche Defizit im Zentrum der politischen Debatte steht, ist die Renditedifferenz zu Deutschland um 30 Basispunkte angestiegen. Zudem wird auch eine vermeintlich expansive Trump-Administration einen republikanischen Finanzminister stellen, der sich für das Gutwollen der Bond-Märkte einsetzen wird (wie Mnuchin in der ersten Amtszeit Trumps). Mittelfristig ist eine Verringerung der Allokation in Staatspapiere mit negativer Dynamik aus der Sicht einer strategischen Vermögensallokation durchaus sinnvoll. Es gibt jedoch kein spezifisches Substitut für Staatspapiere, sondern eine Mischung aus Anlagen mit Staaten und Firmenanleihen mit hohem Rating, Infrastruktur, Immobilien, Insurance-Linked Securities und Gold.